Ich wähle die AFD nicht, weil ich es liebe in einem „bunten“ Deutschland zu leben.
Ich sehe es als große Bereicherung für unser Land und nicht als von der AFD benannte ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit.
Ich bin von Klein auf mit Menschen aus den verschiedensten Nationen groß geworden.
Für mich war und ist dies immer selbstverständlich.
Doch ganz bewusst wurde mir diese Bereicherung erst, als ich begann mit Flüchtlingen zu arbeiten.
Ich arbeitete mit minderjährigen Flüchtlingen aus Afghanistan, Somalia, Syrien, die ohne ihre Familien nach Deutschland kamen. Später auch mit Jugendlichen anderer Nationalitäten.
Ja, es war anfangs, glaube ich, die herausforderndste Arbeit, die ich je in meinem Leben gemacht habe. Aber nicht, weil die Jungs so schwierig waren, aggressiv oder es ihnen schwer fiel, Frauen als Autorität anzunehmen, sondern wegen der Sprachbarrieren am Anfang und dem hohen Anspruch der deutschen Gesellschaft an die Jungs und wie sie sich schnellstmöglich zu integrieren haben. Sie waren alle, auf ihre Weise, schwer traumatisiert. Ich bin mir sicher, dass niemand diese Dinge erleben möchte, die diese Jungs erlebt haben.
Trotz schweren Trauma mussten sie die Regeln Deutschlands schnellstmöglich lernen, sich daran halten, zur Schule gehen, die Sprache lernen, eigenständig einkaufen, mit Geld haushalten, sich selbst versorgen. Begleitet durch uns Pädagogen am Tag, in der Nacht jedoch allein.
Jeder Mensch, der selber Trauma erlebt hat, Depressionen kennt, der weiß wie schwer es ist, diese Leistungen zu erbringen. Und das in einem fremden Land und ohne nur eine Vertrauensperson/ einem Familienmitglied. Stets in der Ungewissheit, was der eigenen Familie geschieht, wie es ihnen wirklich geht. Hinzukommend Schuldgefühle der eigenen Familie gegenüber, dass es ihnen nun so gut gehen durfte und Familien dafür teilweise enorme Schulden aufgenommen haben.
Was ich jedoch von diesen Jungs nochmal besonders lernen durfte:
Sie haben immer mit uns geteilt. Es war für sie selbstverständlich, egal wie wenig Essen sie hatten, sie haben geteilt.
Es war für sie selbstverständlich, nicht nachtragend zu sein, wenn wir PädagogInnen für etwas Konsequenzen ausgesprochen haben, sondern immer wieder freundlich und aufgeschlossen zu sein.
Durch die Arbeit mit den Jungs haben wir viel mit anderen Menschen zu tun gehabt, die ebenso geflüchtet sind und immer, wirklich immer waren es bereichernde und dankbare Momente.
Mit viel Ehrgeiz haben sie alles getan, was in ihren Mächten stand, um sich gut in Deutschland zu integrieren und ihren Weg zu gehen. Unabhängig von deutschen Förderungen zu werden.
Ja na klar, gab es Ausnahmen, doch auch dies begegnet uns mit deutschen Menschen.
Ich habe von und mit meinen Jungs wirklich viel gelernt.
Was ich gerade letzte Woche mal wieder „aufweckend“ fand war die Nachricht von einem meiner Klienten aus der Autismus Therapie. Es gab einen Mord an einer Schule bei Heidelberg. Ein deutscher Junge brachte seine Ex Freundin um. Mein Kunde schickte mir diese Nachricht und sagte: Maren, es wird immer gesagt, dass die Ausländer diese Dinge machen… aber dies war ein Deutscher der das tat.
Wie erschreckend ist es bitte, dass in den Köpfen vieler Menschen die Gewalttätigkeit der Menschen mit Migrationshintergrund ist und Menschen das Gefühl haben, dass Deutsche das kaum tun würden.
Mit einem anderen Klienten haben wir neulich gegoogelt, wie hoch der Ausländeranteil in Gefängnissen ist. Es sind prozentual gesehen mehr Deutsche in den Gefängnissen!
Auch bin ich für Multikulturalismus, weil meine Oma eingewandert ist.
Mein Opa hat sie während des 2. Weltkrieges ins Polen kennengelernt. Uns ist nicht bekannt unter welchen Umständen. Doch nach Ende des Krieges kam sie mit ihrer Tante nach Deutschland, um zu meinem Opa zu kommen. Was mich traurig macht ist, dass sie, genauso wie heute durch Teile der Gesellschaft, nicht willkommen geheißen wurde von der Familie meines Opas. Es wurde sich nicht über die Bereicherung der Familie durch diese Frau gefreut, sondern sie wurde abgelehnt, weil sie Polin war und der Familie damit etwas wegnehmen konnte. Sie hat keine schöne Zeit gehabt.
Mein Opa hatte schnell wieder „Alltag“, mein Vater wurde bald geboren und sie war alleine mit ihm daheim. Je mehr Zeit verging, desto depressiver wurde meine Großmutter.
Sicher nicht nur durch die Ablehnung der Familie , das Alleinsein, sicher auch durch nicht verarbeitete Traumata des 2. Weltkrieges.
1 Jahr nach der Silberhochzeit entschloss sie sich für den Freitod.
Ist es das was wir für andere Menschen wollen?
Wollen wir, dass Menschen in Kriegsgebieten bleiben müssen?
Wollen wir, dass diese Menschen keine Chance auf ein friedvolles Leben und die Chance auf Aufarbeitung von Trauma haben, um sich dann in unsere Gesellschaft einbringen zu können?
Ich genieße, dass wir in Deutschland diese kulturellen Bereicherungen haben.
Sowohl kulinarisch, kulturell, musikalisch und im menschlichen Miteinander. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle miteinander und voneinander lernen können, wenn wir uns darauf einlassen.
Auch in Sichtweisen und Herangehensweisen können wir so sehr voneinander lernen.
Ich bin dankbar, für meine FreundInnen und KollegInnen aus den verschiedensten Kulturen
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