Warum ich ( Rechts-)Radikalismus mit transgenerationalen Trauma in Verbindung bringe
Die vergangenen Monate habe ich mich immer wieder mit dem Thema (Rechts-) Radikalismus auseinandergesetzt.
Warum ich in Deutschland z.B. die AFD niemals wählen würde, warum ich meine Hoffnung habe, dass in den USA Kamala Harris gewählt wird usw.
Bereits während der Flüchtlingskrise, wie auch der Corona Krise wurde deutlich, wie massiv verunsichert die Menschen reagiert haben.
Auch den Politikern sind in diesen Zeiten, wie auch danach, Fehler unterlaufen und müssen in zukünftigen Prozessen aufgearbeitet werden.
Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mir vermutlich im ersten Moment mit diesem Blogpost nicht nur Freunde mache.
Doch wenn du weiterliest, dann hast du evtl. ein weitergehendes Verständnis oder zumindest Gedankenanstöße, die dich friedlicher stimmen.
Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema transgenerationale Trauma und ihre Auswirkungen, Epigenetik auf unsere Generationen.
Das Thema Schuld, Scham, Macht geht in den Geschichten der Menschheit noch viel weiter als es in meiner Arbeit einbezogen wird.
Ich gehe in der Regel in das letzte und dieses Jahrhundert.
Bitte beachte all die Bewegungen allein in den letzten 100 Jahren.
Der 1. Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise, der 2. Weltkrieg, die Trennung Deutschlands in Ost und West, der Wiederaufbau Deutschlands im Westen und die Einführung der Demokratie, während im Osten Deutschlands eine Diktatur herrschte, und damit die Kriegskinder, Familien, die durch den Mauerbau getrennt wurden sowie die Kriegskinder, die uns im Westen mit Hilfe der Demokratie einen Wohlstand aufgebaut haben, die Weltfinanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona, Ukraine Krieg und weitere Kriege und Bedrohungen auf der Welt.
Wie du wahrnehmen kannst, gibt es keine einzige Generation, die kriegs-, krisenfrei war.
Deutschland entwickelte sich, durch seinen Fleiß und seinen Ehrgeiz zu einem Wohlstandsstandort aus wirtschaftlicher Sicht.
Auch viele andere Länder hatten nach dem 2. Weltkrieg die große Chance, wirtschaftlich wieder zu wachsen.
Ich möchte gar nicht auf alle Vorteile, die sich aufgrund weltpolitischer Entwicklung entwickelten, eingehen. Denn wenn man hier den Blick ausschließlich auf positive Entwicklungen richten würde, auch wenn Fehler geschehen sind und geschehen, dann würden wir gar nicht alles so sehr kritisieren, sondern würden möglicherweise viel entspannter miteinander sein.
Was jedoch erst in den letzten Jahren immer deutlicher wird ist, dass sämtliche Trauma der vergangenen Jahrhunderte mit ihren Kriegen und Krisen nicht aufgearbeitet wurden.
Dies zeigt sich heute fast täglich in meiner direkten Arbeit mit meinen KlientInnen, die fast alle aus traumatisierten Familien kommen, die die Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat.
Sondern die Kriegseltern, die überlebt haben, die Kriegskinder haben Deutschland aufgebaut und haben funktioniert. Noch heute ist es so, dass ein Großteil der Menschen darauf ausgelegt, zu funktionieren, ins System zu passen, möglichst viel Geld zu verdienen, um als Kriegsenkelgeneration den Wohlstand, das Erbe der Kriegseltern/ Kriegskinder voller Stolz aufrecht zu halten.
Im Osten Deutschlands bauten die Menschen sich ebenso eine Existenz auf, jedoch viel eingeschränkter als im Westen.
Was alle Generationen jedoch EINS haben, ist, dass die Vergangenheit wenig bis nicht aufgearbeitet wurde.
Weder bei den deutschen Menschen, noch bei den nach Deutschland gekommenen Menschen auch nach dem 2. Weltkrieg. Weltweit gab und gibt es zu wenig, bis keine emotionale Aufarbeitung, der Trauma, die durch Kriege geschehen.
Es wurde sich wissenschaftlich, wirtschaftlich, politisch mit der Geschichte auseinandergesetzt und noch heute werden die geschichtlichen Hintergründe für verschiedene gesellschaftliche und politische Handlungsentscheidungen, Verpflichtungen genutzt.
Doch emotional, psychisch, tiefgründig zellulär sind die Trauma nicht aufgearbeitet worden.
Es gibt Menschen mit einer unglaublichen Resilienz in den Familien, in denen dies geschah, doch größtenteils haben sowohl die gesellschaftlichen, alle Menschen betreffenden wie auch einzelne, individuelle Trauma noch großen Einfluss auf viele Handlungen und Beziehungen/ Verbindungen.
Es ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass es transgenerationale Trauma gibt. Dass Trauma von Großeltern, Eltern usw. bis hin zu 7 Generationen rückblickend, Einfluss auf unser Leben heute haben, wenn es nicht aufgearbeitet wird.
Warum ist das so?
Seit einigen Jahren setzen sich die Wissenschaftler damit auseinander, welche Auswirkungen transgenerationale Trauma auf die Menschen haben.
Hierzu musst du wissen, dass jedes Trauma körperliche Auswirkungen auf den Menschen hat.
Es ist unterschiedlich wie massiv sich ein Trauma auf einen Menschen auswirkt, weil es individuelle Umgangsweisen mit Stress gibt, unterschiedlich stark ausgeprägte Resilienzen und Ressourcen, die den Menschen dabei helfen mit Trauma Situation umzugehen und es auch körperlich zu verarbeiten und im Nervensystem zu integrieren.
Trauma löst Stress, sowohl mental/ psychisch wie auch körperlich aus. Der Körper schüttet verschiedene Hormone aus, die vom Körper abgebaut werden müssen. Dauert dieser Stress längerfristig an, wird er wiederholt, gibt es Triggersituationen, die an das Trauma erinnern und die Ausschüttung der Hormone auslösen, so kann der Körper etwas allein nicht mehr verarbeiten.
Ist der Mensch sich dessen nicht bewusst, verdrängt der Mensch das Trauma, verdrängt der Körper die Erinnerung an das Trauma, weil es eigentlich gar nicht aushaltbar ist, dann setzt sich das Trauma auf zellulärer Ebene im Körper fest.
Diese zelluläre Veränderung hat Einfluss auf unsere Epigenetik. Werden die Veränderungen der Zellen zu stark, dann können sie Einfluss auf unsere Genetik nehmen. Es bedeutet nicht, dass die Epigenetik, der Genetik direkten Schaden zufügt. Jedoch kann die Epigenetik die Funktion von Genetik z.B. beeinträchtigen/ bis hin zum Ausschalten. Das sind dann SNPs auf der DNA, die dafür sorgen, dass wir gesundheitliche Beeinträchtigungen haben.
Hieran wird deutlich, dass die Aufarbeitung von Trauma mehr als notwendig ist.
Denn es hat nicht nur Einfluss, auf die Epigenetik und Genetik, die körperliche Gesundheit. In diesen zellulären Veränderungen, gespeicherten Verdrängungen sind sowohl Bilder, wie auch körperliche Erinnerungen an Gefühle/ Ängste usw. gespeichert.
Werden diese durch Ereignisse getriggert, dann können Ängste/ Sorgen/ körperliche Empfindungen ausgelöst werden, die der Mensch erlebt hat, der damals in der Trauma Situation war, oder wenn es transgenerational weitervererbt wurde, kann der Erbe plötzlich in eine Traumafolgereaktion kommen, die er nicht zuordnen kann, weil der Mensch evtl. selbst gar kein Trauma erlebt hat.
Warum bringe ich das nun mit ( Rechts-) Radikalismus in Verbindung.
Menschen, die Trauma erlebt haben benötigen dringend Hilfe und Unterstützung, Trauma aufzuarbeiten, damit es sich nicht weitervererbt und Einfluss auf nachfolgende Generationen hat.
Menschen, die Trauma erlebt haben und/ oder in der Epigenetik haben, tragen Muster in sich, die unterbewusst zu Überlebensstrategien führen. Mit Anpassungsleistungen an die Gesellschaft erarbeiten sie sich eine Sicherheit. Doch wenn dann Krisen kommen, dann werden Sicherheiten, Muster/ Strategien bedroht.
Menschen, die nicht in die Trauma Aufarbeitung gehen, weil es evtl. nicht gefördert wird, weil es zu wenig Aufklärung dazu gibt, weil es zu wenig Hilfestellungen gibt, reagieren meist mit unterbewussten Überlebensstrategien, die nicht wirklich rational sind.
Außerdem spielen natürlich nicht nur die Körperreaktionen auf Stress eine Rolle, sondern ebenso die gesellschaftliche und familiäre Prägung im Umgang mit Situationen. Sowohl im Denken/ Glauben/ Einstellungen, wie auch in Handlungsweisen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass ein traumatisierter Mensch oder ein Mensch mit transgenerational weitergegebenem Trauma unterbewusst ausschließlich darauf ausgelegt sind, ihre Sicherheit, die sie zum Überleben brauchen, wieder herzustellen, damit das Nervensystem nicht im Traumastrudel verweilt.
Warum bin ich der Auffassung, dass unverarbeitete Trauma zu Radikalisierung führen?
Dies möchte ich mit einem Thema aufzeigen, welches aus meiner eigenen Geschichte kommt und für mich sinnbildlich ist.
Mein Großvater ist im 2. Weltkrieg als Soldat unter anderem in Polen gewesen. Ich kenne seine Position/ seine Haltung zum Krieg noch nicht, dazu werde ich Nachforschungen einleiten.
Was ich aber weiß, dass die Deutschen auch in Polen wahre Massaker verursacht haben.
Leider ist in meiner Familie nie über geschichtliche Erlebnisse und Haltungen gesprochen worden. Auch nicht über die Geschichte, wie mein Großvater und meine Großmutter sich kennengelernt haben.
Und doch war es so, dass mein Großvater meine Oma in Polen kennengelernt hat.
Nach Kriegsende kam er mit seinem Batailon zurück nach Deutschland. Meine Oma flüchtete ebenso mit ihrer Tante (Schwester der Mutter) nach Deutschland, um hier meinen Opa wieder zu finden. Was mit der Mutter meiner Oma geschehen ist, ist nicht bekannt.
Die beiden kamen zusammen und die Familie meines Großvaters war nicht begeistert, dass ein Flüchtling in die Familie kam und damit den deutschen Familienmitgliedern „etwas wegnahm“.
Nicht nur den Sohn, sondern auch materiell.
Es ging um Mangel, selbst nicht genug zu haben und Anerkennung von Gleichwertigkeit von Menschen. Dies gelang in meiner Familie nicht. Meine Großmutter ist immer unglücklich und nicht wirklich integriert gewesen, was zu schweren Depressionen führte sowie schlussendlich zum Suizid.
Ich weiß, dadurch dass ich mit vielen Menschen gesprochen habe, dass es vielen Menschen, die nach dem 2. WK nach Deutschland kamen, so ging wie meiner Großmutter.
Schon damals mussten sich Flüchtlinge beweisen, dass sie es wert sind in Deutschland zu leben und gleichberechtigt sein dürfen.
Ich verurteile die deutschen Menschen nicht für ihr Handeln damals. Sie waren über Jahre hinweg darin geprägt und beeinflusst, wie groß die Gefahr durch das Außen ist.
Es ist in die Menschen infiltriert worden. Und wenn man den Film: Führer und Verführer gesehen hat, dann wird auch sehr deutlich, wie manipulativ, strategisch vorgegangen wurde.
Nach dem Krieg wurde nichts aufgearbeitet, weil die Menschen mit dem Wiederaufbau beschäftigt waren. Außerdem herrschte in den Menschen auch nach dem Krieg eine große Verunsicherung, wem vertraut werden kann und wem gegenüber ich meine „Schwäche“ zugeben konnte.
Dies sehen wir noch heute in unserer Gesellschaft. Ja, Psychotherapie/ Coaching / Hilfestellungen sind nicht mehr komplett verhöhnt und doch ist es nicht ausreichend in der Gesellschaft normalisiert.
Die Auswirkungen/ Reaktionen z.B. in der Flüchtlingskrise und bei Corona sind für mich ein Spiegel für unverarbeitete Trauma. Angst nicht genug zu haben, etwas weggenommen zu bekommen, zu wenig Toilettenpapier zu haben, Verallgemeinerungen der Bedrohung, Spaltung und damit die Chance für Radikalisierung, weil erneut strategisch vorgegangen werden konnte.
Meiner Einschätzung nach, natürlich weiß ich es nicht, sind ein Großteil der Politiker auch nicht in die innerfamiliäre Aufarbeitung gegangen, was natürlich auch bei ihnen dazu führt teilweise scheinbar rationale Entscheidungen zu treffen. Aus meinem Empfinden jedoch auch irrational, weil es oft Situationen waren, die sie genauso wenig kannten, wie die Bevölkerung und genauso als Menschen geprägt sind wie die Bevölkerung.
Ich persönlich distanziere mich davon, immer der Politik die Schuld an allem zu geben. Ich möchte, dass wir als Menschen in die Aufarbeitung und in die Eigenverantwortung gehen.
Ich sehe es so, wenn ich in meinem Kreis für inneren Frieden sorge, Menschen ein Vorbild dafür bin aufzuräumen und als Beispiel voranzugehen, dass man in Frieden und Freude voran geht, dann ist dies ein Friedensbeitrag und ein Beitrag dafür unsere Gesellschaft auch für weitere Generationen wieder in die Harmonie zu bringen,
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